Wenn Städte aus dem nichts wachsen und Hobbits Gandalf zum Weinen bringen

Die mühevolle Arbeit mit dem Greenscreen und wozu man ihn überhaupt benötigt

Greenscreen Mainz Imagefilm Siemens

Published on 10. September 2018

Written by Sascha Jost

Wer schon einmal die „grüne Hölle“, wie das virtuelle Nachrichtenstudio des ZDF auf dem Mainzer Lerchenberg liebevoll genannt wird, besichtigt hat, kann vielleicht nachvollziehen, warum der Greenscreen unter Darstellern und Moderatoren keinen guten Ruf hat. Er wirkt kalt, unnahbar und verlangt einem Einiges ab.

Aber fangen wir vorne an. Schon seit 1933, als man für den Film King Kong zum ersten Mal mit einer frühen Form der Greenscreen-Technik experimentierte, wissen es Filmmacher zu schätzen, wenn man etwas Freiraum in der Gestaltung der Bilder hat. Ersetzte man bei King Kong noch den Schwarzteil des Bildes um für damalige Zeiten revolutionäre visuelle Täuschungen zu erzielen, greift man heute meist auf leuchtend grüne Hintergründe zu, um diese später ausstanzen, wie es in der Filmsprache heißt. Grün deshalb, da in der menschlichen Haut dieser Farbton nicht zu finden ist und man damit nicht aus Versehen einen Teil des Darstellers aus dem Bild entfernt.

Technisch gesehen bedeutet das, dass man bei der auf Farben basierenden Freistellung des Bildes – im Fachjargon „Chroma Keying“ – in der Nachbearbeitung die Darsteller oder auch einzelne Gegenstände vor andere Hintergründe setzen kann. Alle Hintergründe, Requisiten und ähnliches, die beim Dreh in der grünen Schlüsselfarbe aufgezeichnet wurden, werden transparent.

So wird aus einem tristen Filmstudio ohne Fenster ein umwerfendes Bergpanorama, der Stuhl mitsamt Darsteller, der eben noch an einem Seil in Studiomitte baumelte, hängt im Film auf einmal auf dem New Yorker Timesquare oder die im Studio gefilmte Kampszene wird an die eindrucksvollsten und gefährlichsten Orte dieser Welt versetzt – ohne jede Angst, das Wetter könne nicht mitspielen oder ein wütender Mob könne einen durch die Stadt jagen wollen.

Aber auch computergenerierte Landschaften oder gleich ganze Städte sind als alternative Szenerie möglich, so wie bei unserem Dreh für Siemens im besagten ZDF-Studio. Hier fand sich unsere Darstellerin in einer 100m² großen, aber fast leeren Greenbox wieder und durfte die Stromversorgung verschiedener Gebiete und Landschaftstypen kommentieren. Windräder, Hafenanalagen und ähnliches geben dem Zuschauer einen Einblick über das Leistungsportfolio von Siemens. Unsere Darstellerin allerdings sah davon bei der Aufzeichnung nichts. Es gab nur die Kamera, ein großes Filmteam und riesige grüne Flächen und damit die Herausforderung Kraft ihrer Vorstellung mit allen virtuellen Elementen richtig zu interagieren. Der größte Teil der Arbeit folgt dann in der Postproduktion, wo alles Grüne durch eine fotorealistische Umgebung ersetzt werden muss und die virtuelle Stadt Ihre Form annimmt. Damit sich die Modelle dann auch realistisch zur Kamerabewegung verhalten, installierten wir im Studio zahlreiche Marker und ein zusätzliches Tracking-System.

30 Millionen Euro ließ sich das ZDF das Studio kosten und lässt die Nachrichtensprecher und Moderatoren etwas einsam dastehen, denn auch für diese sind die Inhalte nur über ein Monitorsystem sichtbar. Dort also wo „heute“ oder auch das „heute journal“ aufgezeichnet werden, gibt es nur einen großen Tisch, alles andere ist einfach nur grün.
Der Spitzname „grüne Hölle“ kommt also nicht von ungefähr. Aber auch Hollywood-Darsteller tun sich bisweilen schwer mit der reinen Green-Screen-Umgebung. So z.B. auch Sir Ian Murray McKellen der mehrfach als bester Nebendarsteller für seine Rolle als Gandalf in Der Herr der Ringe für den Oscar nominiert war. In einem Interview mit Contact Music berichtete er von Dreharbeiten zum ersten Hobbit-Film von Peter Jackson, bei denen Greenscreen-Aufnahmen einen so wichtigen Teil einnahmen, dass er bei einem Greenscreen-Dreh anfing zu weinen. Hintergrund waren Aufnahmen mit ihm und den 13 Zwergen. Um die Größenverhältnisse zwischen dem großen Gandalf und den kleinen Zwergen korrekt abzubilden, mussten die Darsteller getrennt voneinander vor einem Greenscreen aufgezeichnet werden: „All I had for company was 13 photographs of the dwarves on top of stands with little lights – whoever’s talking flashes up. Pretending you’re with 13 other people when you’re on your own, it stretches your technical ability to the absolute limits“ („Alles, was ich an Gesellschaft hatte, waren 13 Fotos von Zwergen auf Ständern mit kleinen Lichtern – wer gerade spricht, blinkt auf. Wenn du so tust, als wärst du mit 13 anderen Leuten zusammen, wenn du eigentlich alleine bist, bringt das Deine Fähigkeiten bis an die absoluten Grenzen“).

Der kleine Hobbit

The Hobbit – © 2018 Warner Bros. Entertainment Inc.

Eine gute Nachricht für alle Greenscreen geschädigten Darsteller gibt es allerdings doch. Google arbeitet intensiv an einer Lösung auf Basis von künstlicher Intelligenz, die Greenscreen-Aufnahmen in Zukunft überflüssig machen sollen. Hier erkennt die KI die Personen im Vordergrund und schneidet diese automatisch in Echtzeit aus, so dass die Hintergründe im Video ohne Probleme ausgetauscht werden können. Eine erste Beta-App mit interessanten aber noch ausbaufähigen Ergebnissen gibt es bereits. Bis das Ganze allerdings in den professionellen Filmbereich einziehen wird, wird es noch etwas dauern.

Wenn Sie mehr zum Thema Green-Screen-Aufnahmen wissen wollen oder vielleicht mit einem Imagefilm liebäugeln, der Dank dieser Technik wirklich beeindruckt, kommen Sie einfach bei uns in Mainz auf eine Tasse Kaffee vorbei. Vielleicht können Sie den Termin dann auch gleich mit einer kostenlosen Führung im ZDF samt der „grünen Hölle“ verbinden: https://zdf-service.de/fuehrungen-mainz/

Mehr erfahren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bluescreen-Technik#Greenscreen
https://www.heise.de/newsticker/meldung/YouTube-erprobt-Live-Videobearbeitung-mit-kuenstlicher-Intelligenz-3985814.html
http://www.contactmusic.com/ian-mckellen/news/ian-mckellen-broke-down-on-the-hobbit-set_3378939

Sascha Jost Intervideo Filmproduktion

Über den Autor: Sascha Jost

Geschäftsführer. Seit 10 Jahren steuert er erfolgreich bei Intervideo Projekte rund um den Globus. Aus der Ruhe bringt ihn höchstens der Zoll – wenn dort mal wieder Requisiten für einen Dreh hängen bleiben.

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